Nationale Patente als zweite Schutzlinie
Das neue EP (Einheitspatent)/EPG (Einheitliches Patentgerichts)-System erlaubt wortgleiche nationale Patente als zweite Schutzlinie parallel zu erteilten Einheitspatenten und klassischen Europäischen Patenten in einigen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland.
In vielen Patentsystemen ist eine Doppelpatentierung nicht erlaubt, da das Schutz-interesse des Patentinhabers mit einem Patent als erfüllt gesehen wird. Nach der Erteilung des neuen Einheitspatents beziehungsweise des klassischen Europäischen Patents durch das Europäische Patentamt wird sein Bestand oder seine Verletzung ausschließlich durch das Einheitliche Patentgericht entschieden. Damit stellt das neue Einheitspatentsystem ein eigenständiges Patentsystem dar, das parallel erteilte nationale Schutzrechte prinzipiell möglich macht.
Es bestehen nun beispielsweise die Möglichkeiten, parallel zur Anmeldung eines Einheitspatents eine Anmeldung für ein deutsches Patent oder Gebrauchsmuster beim Deutschen Patent- und Markenamt einzureichen, eine prioritätsbegründende deutsche Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung zur Erteilung zu bringen oder ein Gebrauchsmuster während der Prüfungsphase des Einheitspatents/des klassischen Europäischen Patents abzuzweigen. Die Prüfung des deutschen Patents beziehungsweise die Eintragung des deutschen Gebrauchsmusters erfolgen völlig unabhängig von der Prüfung des Einheitspatents/klassischen Europäischen Patents, so dass eine nationale Patenterteilung und/oder Gebrauchsmustereintragung schneller erfolgen kann als die Erteilung des Einheitspatents/klassischen Europäischen Patents. Damit kann ein verteidigbares Recht für den deutschen Markt schnell zur Verfügung stehen. Alternativ kann die Prüfung eines deutschen Patents für sieben Jahre ab Anmeldetag aufgeschoben und erst einmal der Fortgang des Europäischen Prüfungsverfahrens beobachtet werden. Diese Möglichkeiten bieten sich vor allem für wirtschaftlich wichtige Erfindungen an, um weitere Schutzlinien zu generieren. Wird das klassische Europäische Patent der Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts durch „opt-out“ entzogen, verliert das deutsche Patent seine Wirkung, sofern sich sein Schutzbereich mit dem Schutzbereich des klassischen Europäischen Patents überlappt. Wird das klassische Europäische Patent durch „opt-in“ dem Einheitlichen Patentgericht wieder unterstellt, lebt die Wirkung des nationalen deutschen Patents nicht wieder auf.
Dies ist eine Motivation, ein Einheitspatent zu wählen bzw. auf ein „opt-out“ des klassischen Europäischen Patents zu verzichten. Deutsche Gebrauchsmuster sind hiervon nicht betroffen, da das deutsche Patentgesetz Koexistenz von Patent und Gebrauchsmuster erlaubt.
Dieser Beitrag wurde |transkript 3/2023 entnommen.